Niklashausen - Gamburg - Wertheim und Grafschaft - Uettingen
Niklashausen 1476 - Pfeifer von Niklashausen
Die Vorgeschichte des Bauernkrieges von 1476. Viele Hinweise auf den Pfeifer-Hans, den Verkünder der Gleichheit. In Niklashausen lebt die Erinnerung an den großen Sohn:
Item wie ihm die Jungfrau Maria erschienen sei und ihm den Zorn Gottes wider das Menschengeschlecht und sonderlich wider die Priesterschaft geoffenbart hat.
Item wie so große vollkommene Gnad im Taubertal mehr dann zu Rom oder anderswo zu erlangen sei. Und wer hier Gnad erlange, dem fahre die Seele, wenn er sterbe, vom Mund auf in den Himmel.
Item wie die Fisch in dem Wasser und Wild auf dem Feld sollen gemein sein.
Item wie der Kaiser ein Böswicht sei und mit dem Papst ist es nichts.
Item der Kaiser gibt einem Fürsten, Grafen, Ritter und Knecht geistlich und weltlich Zoll und Steuern über das gemein Volk, ach weh ihr armen Teufel!
Item die Geistlichen haben viel Pfründ, das soll nicht sein. Sie sollen nicht mehr haben, dann von einem zum andern Mal.
Item sie werden erschlagen, und bald wird es dazu kommen, daß der Priester seine Platte gern mit der Hand bedecken möchte, damit man ihn nicht erkennt.
Item wenn die Fürsten, geistlich und weltlich, auch Grafen und Ritter soviel hätten wie der gemein Mann, so hätten wir alle gleich genug, was dann geschehen soll.
Item es kommt dazu, daß die Fürsten und Herrn noch um einen Taglohn müssen arbeiten.
(Von Spitzel des Würzburger Bischofs Rudolf von Scherenberg mitgeschriebene Predigtsätze des Pfeifers von Niklashausen)
In der alten Schriftform:
Zum erstenn understet er sich one underlaß vor dem folck zu predigen und zu sagen in massen, wie hie nach geschriben statt:
Item, wie im die junffraw Maria, die mutter gotteß, erschynen sin sall, zu versteen geben hab den zorn gotteß wydder menschlich geslecht und sunderlich wydder die priesterschaft.
Item, daß gott darum sin straff hat thon wollen, win und korrn uff Crucis erfrorn solt sin; das hab er gewendt durch sin gebett.
Item, wie so groß volkommen gnade im Taubersstalle und meher sin sall dan zu Rome ader an eynchem ende.
Item, welchs mensch den Tuberthall begryfft, der erlange auch all volkommelich gnade; und wan er sterbe, so fare er von mond uff zu hymmell.
Item, welchs mensch nyt in die kirch kommen kan, alß dan die cleyn ist, nichts destmynder erlange er die gnade.
item, er woll deß sin thru zu phan setzen: und were eyn sele in der heln, so wolt er sy myt de hant heruß furen.
Item, wie der keyser eyn bößwicht sy, und myt dem babst ist eß nüst.
Item, der keyser geb eynem fursten, graven und rytter und knecht geistlich und weltlich, zoll und uflegung uber das gemeyn volck - ach we, ir armen tübel!
Item, die geistlichen haben vil prynden; sal nyt sin, sollen nyt meher haben dan von eynem mall zum andern.
Item, sy werden erslagen, und in kurtz wurt eß darzu kommen, daß der priester mocht die platt bedecken myt der hant; dett er gern, daß man in nyt kennet.
Item, wie die fisch in dem wasser und daß wilt uff dem felde sallen gemein sin.
Item, wie daß die fursten geistlich und weltlich, auch graven und rytter so vil haben hetten daß die gemeyn, so hetten wir glich alle genugk; daß dan geschehen muß.
Item, eß kompt dar zu, daß die fursten und hern noch umb eynen taglone mussen arbeitten.
Item, vom babst halt er wenick, deß glichen vom keyser; dan sy der babst frome und werde darin funden an synen letzten ende, deß glichen der keißer, so farn sy on myttel zu hymmel, werden sy aber boeß funden, so farn sy on myttel in die helle; also daß er nichts vom fegefuer helt.
Item, er will die juden ee bessern dan geistlichen und schriftrichen. Un wan schon eyn priester im glauben gebe, so er widder heym kompt, setzen sich zweyn ader dry uber ine und cleuben im die orn allß vol, daß eß vil besser wurtt dan vor.
Item, die priester sagen, ich sy eyn ketzer und wollen mich verbrennen. Wusten sy waß eyn ketzer were, sie erkentten, daß sie ketzer weren und ich keyner. Verbrennen sy mich aber, wee inen; sy werden wol innen, waß sie gethon haben, und daß wurt an inen uß geen.
Item, zu Holtzkichen ist eyner under dem volck vor ine nydder geknytt, den hat er absolvirt und in darnach geyn Niclaßhußen zum perrer gewissten.
Item, die mutter gots woll zu Niclaßhußen meher geertt werden dan nyrgent anderß wo.
Item, er sagt, der bane sy nichts; und die priester scheiden die ee; daß nymans gethon mag dann gott.
Solichs alleß und noch vil meher haben uffenbar schriber und zugen gehortten und geschriben.
Handschrift in Bonn, Universitätsbibliothek, Historia ordinum religiosorum Nr. 466 b, später Hs. 747; 1945 vernichtet. Abdruck nach Ullman, Reformatoren, I, 1866, S. 365f.
Der Pfeifer von Niklashausen spricht 1476 in seinen Predigten die Sünden der Menschen an, die Sündenschlechtigkeit der Welt. Dafür läßt sich erlösende Gnade durch Busse erlangen. Im Taubertal, in Niklashausen ist die nötige Gottesgnade besser als in Rom. Dort thront ein unfähiger, verkommener Papst. Mit diesen Thesen zur richtigen Busse der Menschen ist der Pfeifer von Niklashausen ein früher Luther. Der aber weit weniger Busse-Thesen benötigt als Luther in einem sehr großen Teil seiner 95 Thesen. Da hätte Luther viel von einem einfachen Schäfer lernen können sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Gottes Zorn richtet sich gegen die verlotterte Geistlichkeit, gegen das abwegige Papsttum. Geistlichkeit, die Klöster haben zuviele Pfründe, d. h. beziehen vom Volk zuviele Leistungen wie Zehnte, Gülte. Die Priester, die Mönche sollten dagegen, statt in Reichtum zu schwelgen, das Leben von Bettelmönchen führen, sich um ihr nächstes Mahl kümmern müssen, nicht aus angelegten Vorräten heraus. Der Pfeifer sagt Gewaltaktionen gegen die Geistlichkeit, gegen Mönche voraus. Auch gegen das Kaisertum geht der Pfeifer von Niklashausen an. Auch hier herrscht eine generelle Schlechtigkeit. Der Kaiser vergibt an die Herrschaften Möglichkeiten, vom gemeinen Volk Steuern und Zölle zu erheben, die immer mehr zur Last werden. Radikale Gleichheitslosungen treten auf, geistliche und weltliche Fürsten, Grafen, Ritter sollen soviel haben wie der gemeine Mann. Ebenso sollen Fürsten, die Herrschaften selbst um einen Taglohn arbeiten, um ihr Leben zu fristen, also nicht von Zinsen, Zehnten, Steuern leben. Wie fast 50 Jahre später im Bauernkrieg 1525 wird eine freie Fischwirtschaft, ein allgemeines Jagdrecht gefordert.
Franz Flegler, auch ein großer Heimatsohn von Niklashausen, Pfleger des Andenkens an den Pfeifer von Niklashausen, weiß in einem Gedicht eine genauere Ortsangabe, wo der Hirte Hans das erstemal seine Vision erhielt. Im sogenannten Gewann Hirtenhäuslein. Heute nur noch als Häuslein in den Karten eingetragen. Ein echter Hirten Verlust. Ein Teil des Selgenberges in Richtung Werbach:
"Das Hirtenhäuslein
Das "Hirtenhäuslein", ein Gewann
am unt'ren Teil des Selgenberges,
das zeigt mit seinem Namen an
Erscheinungsort des Pfeifer-Werkes.
Ja, hier begann nach der Legende
der große Umbruch und die Wend,
die nun von da an seinem Leben
die strikte Wandlung hat gegeben.
Hier gab ihm die Vision bei Nacht
den Handlungsauftag und die Macht,
frei - und ohne Furcht - das anzuklagen,
von dem uns die Berichte sagen.
Nun fühlte er sich auserkoren,
den Ungeist seiner Zeit geschworen
im harten Kampf nun zu verdammen,
bis er jetzt, gefaßt, dann in den Flammen
der Zeitgewalt zum Opfer fiel
im festen Glauben an sein Ziel.
Franz Fleger: Die Wahrheit wird den Pfeifer-Hans verklären. 1988, Seite 13.
Franz Flegler fügt seinen entschiedenen Gedicht noch unter einem Holzschnitt mit der Vision Marias beim Schafe hütenden Pfeifer-Hans die Mundartzeilen an:
"Du mußt da arma Leut jetzt soacha,
die sölla a mol besser läwa - "
Am Radweg durchs Taubertal kann man gar nicht genug auf den Pfeifer von Niklashausen hinweisen, selbst bildlich, rechts davon stehen noch mehr Hinweistafeln (nicht auf dem Foto)
Kein Kriegerdenkmal ohne den Pfeifer von Niklashausen
Kirche
Rathaus mit Pfeifer-Stube, Pfeifer-Ortswappen, Pfeifer-Gedenkstein und Heimatmuseum Steinhauer
Pfeifer-Gedenktafel von Orysik beim Milchhäusle
Gedenkstein für den Pfeifer von Niklashausen und seine Verbrennung auf dem Würzburger Schottenanger (vor dem ehemaligen Rathaus, jetzt Pfeifer-Stube)
Der Pfeifer
So leicht ihn seine Zeitchronisten
als einem "Narr des Aufruhrs" seh'n,
so wenig darf es uns entrüsten,
sein Wollen besser zu versteh'n.
Hier spiegelt sich im Phänomen
das heiße Sehnen jener Zeit;
um größ're Freiheit zu ersteh'n,
war man zur Tat entschlußbereit.
Nur so gereicht es uns zur Ehre,
wenn wir aus jenem Zeitgescheh'n
der wahren Ursach' bittre Lehre
im Nutzen künft'ger Ordnung seh'n.
Franz Fleger: Die Wahrheit wird den Pfeifer-Hans verklären. 1988, Seite 17
Die via Chronisten vermittelte Geschichte des Pfeifer-Hans von Niklashausen ist voll gefüllt mit gelenkter Erinnerungskultur. In Niklashausen dagegen wurde die Erinnerung an den Heimatsohn in echte, wahre Heimatsgeschichtskultur gelenkt, geführt. Das auch Dank Franz Flegler. Oder der Kirchenpflegerin Marie Väth. Sie vermittelten über ihre Person, über ihre Erzählkunst lebendige Geschichte, lebendige Erinnerungskultur an den großen Heimatsohn, den Pfeifer von Niklashausen, dessen Erinnerung auch viel an das Dorf erforderte. Denn hier wurde große Geschichte bewahrt, die weit über einfacher lokaler Heimatgeschichte, wie in den meisten Dörfern und deren Erinnerungstraditionen üblich, hinaus zeigte. Das unterscheidet Niklashausen, sein Umgang mit dem Pfeifer-Hans von vielen anderen Dörfern. Heimatgeschichte von unten. Heutzutage ist die dörfliche Erinnerung in einem kleinen Pfeifer-Museum im ehemaligen Dorfrathaus institutionalisiert. Wurde vor das Rathaus ein Pfeifer-Denkmal gesetzt.
Ortswappen mit dem Pfeifer, Außenwand ehemaliges Rathaus, Pfeifer-Stube
Pfeifer-Häuschen, abgerissen. Zeichnung von Franz Flegler
Vom alten Pfeifer-Häuschen
Mag es auch klingen sehr verwundert:
Für mich ist es nicht unbekannt,
daß bis zum Viertel des Jahrhunderts
im Dorf ein altes Häuschen stand.
Im Bürgermund "das Pfeifer-Häuschen",
so hat man's allgemein genannt!
Dem Abriß fiel es dann zum Opfer
aus Desint'resse, Unverstand.
Doch schon als Knabe dort, noch jung;
von Pfeifers Wirken angeregt,
hab' ich nach der Erinnerung
mir diese Zeichung angelegt.
Scheint es vielleicht auch legendär:
Dem einst'gen Anti-Geist zum Hohn,
galt doch der Bürger Achtung sehr
bewahrend ihrem großen Sohn.
So soll's zum stetigen Gedenken
ein Glied und ein Beweis auch sein,
dem einst Geächteten zu schenken
die E h r', die ihm gebührt allein.
Franz Fleger: Die Wahrheit wird den Pfeifer-Hans verklären. 1988, Seite 35 / 36
Auch wenn Niklashausen viele Erinnrungen an den Pfeifer-Hans im Ort hat, so wirkt dennoch ein schwerer Verlust nach. Das alte Pfeifer-Häuschen. Das abgerissen wurde. Statt Erhaltung, Renovierung. Der Abrißwillen ist auch in einem Dorf voller wichtiger Erinnerungen stark. Franz Flegler kann in seinem Gedicht dazu kaum glauben, dass es abgerissen wurde. Nur noch seine Zeichnung nach Jugenderinnerungen an das alte Pfeifer-Häuschen gedenken nun an das bauliche Pfeifer-Ensemble im Dorf. Weiter vom Dorf entfernt, am Ende des Selgenberges gegen Werbacher Gemarkung zu, erinnert der Gewannname Häuslein, im Dorfsprachgebrauch Hirtenhäuslein, auch an eine weitere Unterbringungsmöglichkeit des Hirten, des Schäfers. Vermutlich eher ein bescheidener Unterstand. Die Verkleinerungsform -lein deutet das an. Hirten lebten, wohnten und arbeiteten nicht im Überfluss.
Aufstieg zur Begharten-Höhle
Begharten-Höhle, von Franz Flegler frei gelegt und mit Pfeiferschmuckwerk versehen
Die Höhle des Begharden-Bruders im Mühlberg von Niklashausen
Vom Mühlberg dort im Taubergrunde
beim Pfeifer-Dörfchen Niklashausen
berichtet eine alte Kunde
von einem Eremiten draußen
in einer dunklen Felsenhöhle,
die dort am steilen Abhang liegt
und in des Pfeifers heiler Seele
den Anstoß für sein Wirken gibt.
Was der Begharden-Bruder lehrte,
war so gewaltig, ernst und groß,
daß es im Herz' des Pfeifers gärte
und ließ ihn nimmer davon los.
Chronisten nannten's "eingeblasen" -
das ist erklärlich n u r vom Geist;
so ist es eben aufzufassen,
was das Geschehen auch beweist.
Was der Chronisten-Clan berichtet,
bewertet nicht der Sache Kern;
unwahr scheint vieles und erdichtet,
hofiert nur für die "gnäd'gen Herrn".
Im Abstand können wir erkennen
den großen Aufstand einer Zeit,
als Märtyrer den Pfeifer nennen
im Kampfe für Gerechtigkeit.
So soll die Höhle Denkmal bleiben,
in allen Zeiten daran mahnen,
daß wir der Wahrheit uns verschreiben
und danach uns're Zukunft planen.
Franz Fleger: Die Wahrheit wird den Pfeifer-Hans verklären. 1988, Seite 16
Selten spricht sich ein Gedicht der sogenannten Heimatkultur so entschieden gegen die gelenkte Erinnerungskultur aus, die geschichtliche Ereignisse zugunsten der Herrschaft uminterpretiert, berechtigte Forderungen des gemeinen Volkes in Ungerechtigkeit gegen die Obrigkeit umwandelt. Das falsche Argument des Eingeblasenseins der Thesen des Pfeifers kann nicht verschweigen, vermänteln, dass es berechtigte Forderungen waren, die auch sofort und massenhaft im Taubertal und weit darüber hinaus Anklang fanden. Lange Zeit war die Begharden-Höhle verschüttet, nicht mehr zugänglich, nicht mehr erkenntlich. Man warf Reisigwellen in die Höhle, die nach und nach sich auffüllte. Franz Flegler legte die Höhle wieder frei, versah sie auch mit äußeren Erkennungsmerkmalen, frei nach der Niklashauser Steinhauerkultur. Stein ist oft das härteste Material geschichtlicher Erinnerung. Trägt diese weiter. So soll die Höhle Denkmal bleiben. An den Pfeifer-Hans erinnern, aber auch an den Bergharden, der die Höhle bewohnte und mit geschichtlicher Wahrheit von einer gewöhnlichen Höhle unterschied. Die wichtigste Kunde von der generellen Gleichheit der Menschen ging mitunter von dieser einfachen Höhle aus. Franz Flegler findet treffend Klassifizierungen wie Chronisten-Clan und Hofierungsberichtserstattung für den Herrn für die Berichte der ausgesandten Schreiber und der Schreiber am Hofe, die solche Berichte weiter herrschaftssinnig lenkten. Der klare Impetus des eindeutigen Gegenlenkens von unten ist wichtig, die Eindeutigkeit, eigene Geschichte sich nicht rauben und negativst umdeuten zu lassen. Kaum in der gelenkten Heimatgeschichtskultur anzutreffen. Die gerne vor Verfälschungen der eigenen Geschichte buckelt. Diese weiterträgt, reproduziert. Niklashausen ist ein wichtiges Gegenbild dazu. So soll die Höhle Denkmal bleiben. Welch wunderbarer zusammenfassender, ebenso gewichtiger Gedicht-Satz von Franz Flegler! So soll die Erinnerung an den Pfeifer-Hans bleiben. Ungetrübt vom Einblasen der gelenkten Erinnerungskultur.
Pfeifer-Relief, Jahresangabe 1476 mit halber 8, also 4
Gamburg 1525
Die Gamburg, eine der schönsten Höhenburgen, fast ringsherum mit steilen Abhängen, teilweise terrassiert, geschützt, durch Götz von Berlichingen vor Zerstörung durch die Bauern gesichert, ist heute durch Bemühungen des Besitzers wieder zugänglich und neu in Wert gesetzt. Z. B. durch Wiederherstellung des Barockgartens, der Wandgemälde. "Geplündert" wurden dennoch die Vorräte an Wein und Getreide im kurfürstlich-mainzischem "Schloss".
Wertheim und Grafschaft 1525
Wertheim und Grafschaft Wertheim im Bauernkrieg
So schön die Wertheimer Burgruine auch ist, so unschön war die Politik, das Verhalten von Graf Georg II von Wertheim im Bauernkrieg 1525. Er versuchte den allgemeinen Aufstand in seiner Grafschaft, in den dazugehörigen Ämtern, Orten, wie Königheim, Schweinberg, Reicholzheim, Remlingen, Uettingen zu unterdrücken. Schreckte dabei vor Gewaltanwendung nicht zurück.
Die Üttinger Artikel, verfaßt vom Üttinger Kilian Kleinhenz (Kleinhans) vermutlich mit Co-Autor Ortspfarrer Jörg / Georg Heuslein
Wohlgeborener, gnädiger Herr, ist unser fleissig bit an euer genadt unser anliegen und beschwernuss, gnediglich zu erheren und anemen durch was ursach wir bewegt sein worden zu solcher uffrure.
Item zum ersten ist kommen Hanns Gron und uns gebotten, es sei meines gnedigen Herren ernstliche Mahnung, das nur die mönche in Holzkirchen gedenken zu bezalen, wo das nit geschehe in drei Tagen, sol wol der Amtmann kommen und kue, kelber, Pferde nehmen und gen Laudenbach treibe under die ... und verkauffen, und wue er sie vertreiben kann und die mönche bezalen, und solen sie ... samt velten loß haben.
Item zum anderen ist kommen der schultes und hat die nachbarn zu hauff geleudt, und in fürgehalten, ob es sich begebe, daß wir erfordert wurden, von den Bischof zu Wirtzburgk oder Mentz sol mir in nicht zufallenn, sondern uff unser gnedigen Herr warten, der werdt bald bei uns sein. Danach saß der schultes uff, reitt zum thor hinaus, dadurch wir uns besorgten, wir wurden fürgewaltigt von euren gnadten, und draten zu hauff, und würdeen reden und sagen, wie das wir die jare ein mißjahre allen fruchten halten, jedoch über deselbig alles seine gnadt ein steuer an uns gefordert von den armen, die das brot im hauß nit zu esse haben wider alle billigkeit und gottliche recht, und über das alles will unns E. G. bezwingen, die manch zu bezahlen, ob wir mit unserenn kindernn betel solen gehn.
Item zum drittenn, so ein bidermann fun E. G. zihenn will under jemands herrschaft, sol er sich abkaufen und nachsteuer geben, wider alle billigkeit und gottliche recht.
Item so einer frauen der mann stirbt, wil E. G. das best haupt haben, hat sie ein gaul, wil der den gaul haben. Hat sie eine kue, wil der die kue haben. Das ist im himmel nit recht, noch in der hel, ich schweig uff erdenn.
Item man verbot uns die fisch im wasser, den vogel in der lufft, das wilt im walte und uff erdenn, das got erschaffen hat, unß allen zu gut zu einer notdurft, und nit einem alein.
Item so sein mir arme beschwert mit grossen schweren frondienst, welcher bei menschen gedächtnuss uff uns kommen ist, unnd noch täglich uffgeladen wurd.
Item so uns wurd unser weit verkaufft von E. G. underthanen, wider alle billigkeit, die doch vor got das seine, das die gütte sein.
Item so wirden wir täglich beschwert mit grossen unkosten und atzung wider alle billigkeit und gotliche satzung.
Item so hat uns unser schulteß etlich gemain recht ausgeben, unnd E. G. ein zins darauf geschlagenn, das doch billig einer gemein ist und dasselbig mit ferner gestattenn.
Item so hat E. Gn. uns einen reisigen knecht zu einem schulteiß geschickt, der lest sich täglich hören, es sei mer dan ein gericht oder gemain, unnd wil allezeit seines kopfes sein und red derbei, er wol keinen gedrau, unnd es sol ihm auch keiner gedrau. Vonn sein güter und sein weib genügen wir in nit zu dreiben.
Die großen zwölf Artikel der Bauernhaufen erfahren teilweise kleinregionale Anpassungen, sie werden auf die konkrete Situation vorort geschrieben, auf lokale Problemlagen. So auch in den 10 Üttinger Artikel, die in der Grafschaft Wertheim verbreitet werden.
Üttinger Einwohner haben sich geweigert, Gülte, Zinsen, den Weinzehnt an das Kloster Holzkirchen zu entrichten. Das Kloster wandte sich an den Wertheimer Grafen. Dieser drohte den Üttinger, mit der Beschlagnahmung von Kühen, Pferden, Kälbern, um sie an Händler zu verkaufen. Ein typischer Konflikt zwischen Dorfbewohnern und Klöstern. Die Klöster sind wegen ihrer wirtschaftlichen Macht, ihren finanziellen Ansprüchen verhaßt und werden zu einem Zielpunkt im Bauernkrieg. Ein weiterer Zielpunkt der Beschwerdeartikel ist die Herrschaft. Dem Wertheimer Graf wird vorgeworfen, er erhebe Steuern, die von armen Einwohnern gar nicht geleistet werden können und sie in die völlige Armut der Bettelei treiben würde. Die Erhebung des Besthaupts war besonders verhaßt, also wenn der Ehemann starb, dass dann an die Herrschaft das beste Stück Vieh abgeliefert werden sollte. Beschwerdepunkt war auch die Zahlung einer Nachsteuer, eines Freikaufens, wenn ein Untertan aus der Grafschaft wegziehen wollte (z.B. zwecks Heirat). Solche Forderungen der Herrschaft werden als Verstoß gegen das göttliche Recht eingestuft, Und damit die Herrschaft ungöttlichen Verhaltens beschuldigt. Freier Zugang zum Fischen, Jagen wird gefordert. Frondienste, Schatzungsgelder sollen nicht mehr geleistet werden. Ein lokaler Artikel ist die Beschwerde darüber, dass Gemeindegüter wie eine Weide unberechtigt von der Herrschaft, von Amtspersonen verkauft wurden. Auch das Verhalten von Amtsleuten, das im Dorf als ungebührlich verstanden wird, ist Gegenstand eines Beschwerdeartikels. Ein Artikel bezieht sich auf den aktuellen Aufstand, die Aufforderung durch die beiden großen Bauernhaufen, die sich gegen Mainz bzw. Würzburg richten. Das aktuelle Verhalten des Grafens seit den Unruhen gegenüber seinen Untertanen wird als bedrohlich empfunden, als möglich gewalttätiges. Die Üttinger Artikel verbleiben im Bäuerlichen, stecken im dörflichen Alltag, nehmen zwar Bezug auf das göttliche Recht, das aber auf Erden angewandt wird. Es wird keine evangelische Reformation gefordert, auch keine freie Wahl der Priester. Es ist ein Programm des konkreten Jetzt, der sofortigen Umsetzbarkeit. Nicht weit weg, sondern hier, im Dorf, auf Feld und Acker anwendbar. Es spricht die Sprache des gemeinen Mannes, des Allgemeinen. Die Üttinger Artikel waren ein Sofortprogramm, ein Verhandlungs- und Handlungsangebot an den Wertheimer Grafen. Der Bauernkrieg wurde erst durch das verweigernde, hinhaltende, betrügerische, falsche Verhalten der Herrschaften zum Bauernkrieg. Peter Blickle hat in seinem Buch Der Bauernjörg geistreich gedeutet, dass der Truchseß selbst den Bauernkrieg erklärt habe, nicht die Bauern. Die Gewalt ging zuerst von den Herrschenden aus. Die Bauern-Bürger wollten zuerst Verhandlungen, Handlungen, klare Veränderungen der Verhältnisse, die als falsch empfunden wurden, als anti-göttlich, unchristlich, als reformationsbedürftig. Erst als die pragmatische Veränderung der schief geratenen Verhältnisse durch die meisten Herrschenden ausblieb, brachten die Bürger-Bauern die Verhältnisse zum Tanzen, wurden ihre Forderungen, ihr Verhalten radikal und revolutionär. Da wurden viele Herrschenden vom Thron gefegt, Klöster entkirchlicht, Burgen flach gelegt.
Sehr schön, dass auf der Homepage von www.uettingen.de an diese 10 Artikel erinnert wird: http://www.uettingen.de/Bartholomaeuskirche.n223.html
"Episode: Bauernkrieg in Uettingen
Einer der Rädelsführer in der Grafschaft war der Uettinger Kilian Kleinhans, der sich selbst bezeichnete als „er sei der, der so am meisten Zins und Gült gäb und sehr beschwert sei". Er verfaßte die „10 Uettinger Artikel" ( der Pfarrer von Uettingen Jörg Heuslein soll an der Abfassung beteiligt gewesen sein), ein Anklang an die „12 Artikel" von Oberschwaben, aber mit Lokalkolerit: Beschwerde im Mißerntejahr über die Abgaben und den Hochmut des gräflichen Schultheißen, Klage wegen Jagdverbot und Frondienst, Ablehnung der Leibeigenschaft. Diese Artikel berufen sich gegenüber dem Grafen auf göttliches Recht. Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" machte erst die Unfreiheit bewußt. Nach Niederschlagung des Bauernaufstandes holte sich der Graf die meisten Gefangenen aus Uettingen ( 12, mit Kleinhans und Heuslein). Außerdem mußte Uettingen die Höchststrafe von 1 200 Gulden zahlen."
Auch in Üttingen war also der örtliche Pfarrer Mitwirkender bei der Verfassung der Artikel, wie in so vielen Regionen. Einer der Schreiben konnte und die Bibel lesen. Vor allem die von Luther neu übersetzte. Wenn also der Pfarrer Jörg oder Georg Heuslein schon am "Aufruhr" beteiligt war, bestand auch kein besonderer Grund, die Artikel dahin zu definieren, dass die Gemeinde das Recht haben sollte, die Bestellung bzw. Abberufung des Pfarrers eigenständig durchzuführen. Der richtige Pfarrer war schon vorort, an der wichtigen Stelle und konnte das Wort Gottes ohne menschliche Zusätze der Dorfgemeinde verkünden. Die Üttinger 10 Artikel konnten also auf das aktuell notwendige, auf kleine Schritte reduziert werden, die aktuell anlagen und auch direkt umgesetzt werden konnten. Die Üttinger 10 Artikel mögen einen lokalen, kleinregionalen Rahmen haben, aber sie sind gegenüber den bekannten 12 Artikel nicht weniger wichtig, wenn auch weit weniger bekannt.
Dem Pfarrer Jörg / Georg Heuslein, aus dem benachbarten Remlingen stammend, auch einem guten Aufruhrort, drohte zwar nach dem Bauernkrieg die Gefangenschaft durch den Wertheimer Grafen. Ein Hinrichtungstod durch Köpfung wie so vielen anderen Pfarrern blieb ihm erspart, denn er war bis 1529 Pfarrer in Üttingen.
Beim Annähern des Bauernhaufens mußte der Wertheimer Graf auf die Seite der Bauern und Bürger übertreten. Beim Herankommen des Bündischen Heeres trat er nach Verhandlungen auf die Bündische Seite über. Der Graf erläßt zusammen mit dem Truchseß von Waldburg als Führer des Schwäbischen Bundes eine allgemeine Verordnung für seine ganze Grafschaft, unter welchen Bedingungen "die abgefallnen underthonen, und anderer gestalt nit, zu huldigung angenommen werden sollen":
1. Wer sich auf Gnade und Ungnade ergeben will, hat die Waffen abzuliefern.
2. Jeder hat seinem rechtmäßigen Herrn Treue und Gehorsam zu schwören. Es ist bei Verlust des Lebens der Besuch einer Kirchweihe verboten desgleichen Zusammenrottungen.
3. Alle besetzten Klöster, Schlösser und Flecken sind auszuliefern, der angerichtete Schaden ist zu ersetzen.
4. Das geraubte Kirchengut ist zurückzugeben.
5. Die Rädelsführer werden vom obersten Feldhauptmann abgeurteilt und bestraft.
6. "Zum sechsten so soll ain yedes Dorff oder fleck gemeinem pundt zu straff und für brandschatzung von ydem huss fünf Gulden geben, und der reich dem armen in sollichen zu helffen komen, und welches dorff oder fleck sein sum uff die zeit, wie es im die verordneten ufflegen, nit wurt geben, dieselben sollen geblundert und verderpt werden."
7. Die treu gebliebenen Untertanen gehen straffrei aus.
8. Die Flüchtlinge, die sich nicht ergeben, sind vogelfrei. Weib und Kind werden ihnen nachgeschickt, ihr Eigentum wird eingezogen und verfällt zur Hälfte dem Schwäbischen Bund, zur Hälfte dem rechtmäßigen Herrn.
9. Jedermann ist verpflichtet, zur Ergreifung der Flüchtlinge beizutragen.
Zusätzlich erläßt am 15. Juli 1525 Graf Georg von Wertheim eine Polizeiordnung, mit der Kirchweihen, Weintrinken in Gesellschaft verboten werden.