Unterschüpf - Sachsenflur - Boxberg - Wölchingen 1525 / 1878
Unterschüpf
Der sich in Unterschüpf sammelnde Haufen zog mit Pfarrer Ambrosius und einem Kreuz voran, dem anderen von Oberschüpf aus kommenden Haufen entgegen. Vereinigt marschierten beide Gruppen gemeinsam zurück zum Unterschüpfer Gasthaus "Zum hayligen Wein".Am Marktplatz war der Versammlungsort der Bauern, im - auf den Marktplatz stoßendem - Gasthaus zum hayligen Wein wurde bei demselbigen die christliche Bruderschaft begossen. Das Gasthaus wurde in den achtziger Jahren abgebrochen und neu errichtet als Fachwerkhaus mit Gefachen (sogenanntes Riegler'sches Haus).
Im ehemaligen Wasserschloß der Rosenberger mit Wappen und innerem Arkadenhof, heute Behinderten-Sprachschule, wurde 1980 unter einem großem Polizeiaufgebot, gerichtet gegen den Haufen der Bundschuhdemonstranten, die Gemeinderatssitzung zur Beratung des Bebauungsplanes für das Teststreckengelände abgehalten.
Der 26. März 1525 (Laetare) war ein absoluter Ballungstermin in den Beginnen der bäuerlichen Aufstände, die auf das Kloster Schöntal zielten. Zufall kann bei dieser Parallelität der Ereignisse weniger eine Rolle gespielt haben. Viel spricht für eine gewisse untergründige Vorarbeit durch Jörg Metzler und Wendelin Hipler. Für das Kloster, die Abtei Schöntal war es ein Tag revolutionärer Paukenschläge, die das herrschaftliche Gefüge des Klosters ins Wanken brachten:
a) In Mergentheim erheben sich die BürgerInnen und HäckerInnen von Mergentheim und des Umlandes. Der Schöntaler Klosterhof in Mergentheim wird zum ersten Ziel der Aufständigen und die Weinvorräte kräftig niedergemacht. Mergentheim war einer der vier Amtsbezirke Schöntaler Besitzungen.
b) Die direkten Schöntaler Untertanen erheben sich anläßlich der Hüngheimer Kirchweih unter der Führung von Hans Reiter, Müller in Bieringen, und verbrennen sowohl in Hüngheim als auch in Oberkessach und Weltersberg dem Kloster zugehörige Einrichtungen.
c) Bei Versammlungen von Bauern in Ober- und Unterschüpf erfolgt massenweiser Zuzug aus allen umliegenden Orten und verschiedenen Herrschaftsbereichen (Pfalzgräfische, Rosenbergische, Berlichingische, Würzburgische, Mainzische, Deutschherrische und Hohenlohische Untertanen sowie Schöntaler Zehntpflichtige aus dem Mergentheimer Taubertal und des Kleinadels).
Blick ins weinbergige Schüpftal
Sachsenflur
Das Schlößchen aus dem 16. Jahrhundert, mit spätgotischem Sichtfachwerk und späteren Anfügungen trägt mit der Sage des "Täubchens von Sachsenflur" verschiedene Erinnerungen an den Bauernkrieg. Es gehörte zur Adelsherrschaft der Rosenberger im Schüpfgrund. "An Fastnacht 1525 veranstalteten die jungen Leute allerlei Scherz und Mummerei; eine Schar zog vor das Schloß, voran eine Närrin mit einem Kleid aus lauter Taubenfedern und einem Käfig voll Tauben auf dem Rücken, die sie mit lauter Stimme zum Verkauf anbot und deren Anpreisung mit hellem Gelächter begleitet wurde. Da öffnete sich plötzlich das Thor des Schlosses, der Junker sprang heraus, ergriff die Närrin, riß die Mummerei vom Gesicht und erkannte des Nachbars Sohn, der das Täubchen geworfen hatte; während die übrigen auseinanderstoben, schleppte er seinen Gefangenen in den Schloßturm.
Da des Gefangenen Mutter nichts ausrichtete, begab sich der Vater zum Bauernführer Metzler von Ballenberg, der durch die Erzählung dieser Geschichte die Volkswurt noch schürte und viele zur Teilnahme am Aufstand bewog. Sie zerstörten das Schloß zu Oberschüpf, dann zogen sie auch vor das Schloß zu Sachsenflur, um es zu brechen.
Doch wurde die Belagerung beendigt durch den Ritter Florian Geyer von Giebelstadt, der mit seinen Bauern von Ohrenbach dem Metzler zu Hilfe kam." (J. Berberich, Die Geschichte der Stadt Tauberbischofsheim und des Amtsbezirks, 1895, S. 378)
Wölchingen - Boxberg 1525 / Bundschuh 1978
Ab 1978 leistete der Bundschuh Widerstand gegen eine geplante Teststrecke von Daimler-Benz. Als Symbol und Namen wurde der Bundschuh als Erinnerung an den Bauernkrieg aufgegriffen. Auch wenn in unserem Raum die Bauern als Zeichen des Widerstandes 1525 mehr Hacke und Heppe der Weinhäcker auf ihren Fahnen trugen.
"Zwar wird man gelegentlich eine auf formale Zeichen begrenzte und damit vielleicht sogar teilweise versteinerte Erinnerung nicht ausschließen. Doch 1978/79 betrat eine lokale Gruppe im württembergischen Franken eindeutig die Brücke zu <politischen Kultur> Als die Daimler Benz AG im Raum Boxberg eine Teststrecke plante und dafür einen hohen Flächenbedarf anmeldete, der nicht zuletzt mit einer industriellen Folgewirtschaft lockte, artikulierte sich in dem ländlichen Raum ein überraschend starkes Widerstandspotential, das sich bewußt auf die Traditionen des Bauernkrieges stützte. Mit einer <Bundschuh-Genossenschaft> in Schwabhausen formierte im Januar 1979 ein <muliti-kultureller Widerstand> aus politischen Jugendverbänden, Agraropposition und Landjugend, ja sogar Beschäftigen von Daimler Benz, dem es tatsächlich gelang, die Teststrecke zu verhindern. Die eindeutigen historischen Bezüge reichten von einem Grundsatzprogramm der <Zwölf Artikel von Schwabhausen>, über die publikumswirksame Aufführung der Bauernoper von Yaak Karsunke und zu der nachgespielen Schlacht von Königshofen (vom 2. Juni 1525), wobei in historischer Kostümierung symbolisch ein als Kernzelle für das Testgelände bereits angekaufter Aussiedlerhof erstürmt wurde, bis schließlich 1985 der <Bundschuh von Schwabhausen> vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zog, um seine Verfassungsbeschwerde zu überbringen (die 1987 erfolgreich war).
Ein wirkungsvoller <Ableger> dieser Protestbewegung war die <Neue Kritische Heimat-Kunde>, in der eine Jugendgruppe im August 1980 sich mit dem Fahrrad auf die Spuren des Bauernkriegshaufens begab; dies entfaltete sich schließlich zu einem Modellprojekt <Bauernkriegs-Landschaft Tauber-Franken>, das den <sanften KulTOURismus und HisTOURismus> propagierte. Ihr Träger, der <Traum-a-Land e. V.> in Tauberbischofsheim, publizierte 1995 zwei Bände eines Radtouren-Reiseführers mit detaillierten Informationen über den Taubertaler und den Odenwald-Neckartaler Haufen und ihr Umfeld, zu Florian Geyer, aber auch zurückgreifend auf den Pfeifer von Niklashaufen von 1476 - der freilich auch dokumentiert, daß die Erinnerungskultur vor Ort in dieser Region nur sporadisch greifbar wird."
(Rolf Kießling: Der Bauernkrieg. In: Etienne Francois und Hagen Schulze (Herausgeber: Deutsche Erinnerungsorte II, München 2001, Seite 148f.)
Siehe auch unter Regionale Bauernkriegs-Literatur die Rezension zum Verlauf des Widerstandes gegen die Daimler Benz Teststrecke unter
https://www.bauernkriegslandschaft.de/Regionale-Bauernkriegs-Literatur
Karl Hofmann aus Boxberg befasste sich als einer der ersten systematisch mit dem Bauernkrieg in Tauber-Franken: Karl Hofmann, Der Bauernaufstand im Badischen Bauland und Taubergrund 1525, Karlsruhe 1902
"Ihm gelang es, Heimatgeschichte auf anspruchsvollem Niveau zu bieten (heute würden wir eher von Landesgeschichte sprechen), wie ihm nicht wenige Rezensenten attestierten, Heimatgeschichte in ihrem Zusammenhang mit der allgemeinen deutschen Geschichte, Heimatgeschichte im nationalen Kontext.
Seine wissenschaftlichen Publikationen waren zwar auf seine Heimatregion konzentriert, aber sie beschränkten sich nicht darauf. 1902 erschien sein <Bauernaufstand im Badischen Bauland und Taubergrund 1525>. Dabei handelte es sich um die erste eingehende Untersuchung eines Themas, das sich in der Folge als zentral für die Konstituierung des Badischen Frankenlands herausstellen sollte; es ist ganz offensichtlich bis heute grundlegend für die Identität der Region - siehe Anmerkung: Vgl. Jürgen Wohlfarth und Hermann Schäffner, Die Bauernkriegsschlacht auf dem Turmberg von Königshofen. Spurenlesen zum 2. Juni 1525 (= Edition Bauernkriegs-Landschaft 6), Tauberbischofsheim 1997.
Aus: Wolfgang Seidenspinner: Die Erfindung des Madonnenländchens. Die kulturelle Regionalisierung des Badischen Frankenlands zwischen Heimat und Nation. Zwischen Neckar und Main. Schriftenreihe des Vereins Bezirksmuseum e. V. Buchen, Heft 30, 2004, Seite 58
Dieter Thoma verfasste eine Chronologie des Bauernkrieges 1525 in unserer Region. Mein Boxberg Nummer 34, Boxberg 2000, S. 40 - 70 und geht im selben Heft auch auf die 12 Artikel der Bauern ein.